Öffentlicher Dienst

Kaum ein Bild könnte das Dilemma Österreichs besser darstellen, – hier sitzt die demokratisch legitimierte Ministerin einem Teil der lediglich gewerkschaftlich legitimierten, aber realen innenpolitischen Macht gegenüber, und das Quartett versucht erst gar nicht, in Körperhaltung und Gesichtsausdruck zu verbergen, dass die GÖD in Österreich das Sagen hat. Wielange werden die ÖstereicherInnen noch brauchen, um die demokratiepolitische Brisanz dieser Szene zu würdigen ?

Am Anfang dieses Kapitels sei vorausgeschickt, dass die Forderungen der Zentrumpartei nach einer Verfassungs- und Verwaltungsänderung sowie die Konfrontation mit den Gewerkschaften des staatlichen und staatsnahen Bereiches nicht aus einer Feindseligkeit, sondern aus den Überlegungen darüber entstanden sind, wie jene Mittel frei zu bekommen wären, die eine Finanzierung des Kindergeld– Konzeptes ermöglichen könnten.

Jene Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst, die “ an der Front stehen „, haben in ihrem Berufsalltag sehr häufig über Jahrzehnte mit den Schattenseiten menschlicher Existenz zu tun, und unterliegen dadurch einer Art von Belastung, die kaum mit den Belastungen der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vergleichbar ist.

Dahinter gibt es aber im “ back stage- Bereich “ vor allem in der Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden eine überbordende Anzahl von Dienststellen mit gewerkschaftlich bestens organisierten Dienstnehmern, eine der mächtigsten Gruppierungen in diesem Staat.

Die Argumentationskette der Zentrumpartei in Bezug auf den Öffentlichen Dienst ist also leicht zu fassen:Erhöhung der Geburtenzahlen vordringlich, 

ehestmöglich jährlich 2 % des BIP erforderlich,

lukrierbar vorwiegend durch Verfassungs- und Verwaltungsänderung,

aber nur möglich nach Auflösung der Gewerkschaften des Öffentlichen Sektors.

In der Sichtweise der Zentrumpartei steht dieser Staat Österreich vor einer Entscheidung, die er nicht länger vor sich herschieben kann, denn er wird von seinen jungen Frauen und Männern vor die Frage gestellt, ob ihm bisherige innerstaatliche Strukturen wichtiger sind als der Nachwuchs, und diese einfache Frage lautet mit zweifachem Sinn im Dialekt von “ Gitti Schimek aus Kaisermühlen „:
“ WOS WUIT`S ? EIA GÖD ODER KINDA ? „

Der Öffentliche Dienst ist ein tragendes Element im Gefüge eines modernen Staates. Verwaltung, Justiz, Exekutive, Gesundheitswesen, Bildung und Wissenschaft sind Leistungsbereiche, welche die Rahmenbedingungen für die Erarbeitung des Sozialproduktes ermöglichen,

– aber

Aufgabenbereiche, Leistung und Bezahlung des Öffentlichen Dienstes werden in einer gut organisierten gewerkschaftlichen Struktur vom Öffentlichen Dienst selbst festgelegt.

Die Kombination von Beamtentum und gewerkschaftlich bedingter Defacto-Unkündbarkeit von Vertragsbediensteten hat zur Folge, dass ein überbordender, aus gesamtstaatlicher Sicht sehr teurer Öffentlicher Dienst durchschnittliche Leistungen erbringt, was weniger an den Dienstnehmern selbst, sondern viel mehr an der Durchdringung des Öffentlichen Dienst durch Politik und Gewerkschaft liegt. Die Hauptproduzenten des Sozialproduktes unterliegen daraus resultierend einem Abgabendruck, der vordringliches politisches Handeln erfordert.

Die Zentrumpartei sieht in den Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes die zentrale politische Macht in unserem Staat, die im Zusammenwirken mit Länderverwaltungen, Kammern, Sozialversicherungen und weiteren gewerkschaftlichen Teilbereichen jenes politische Geflecht aufrecht erhält, das der demokratischen Willensbildung bei Wahlen den Wert eines Gesellschaftsspieles verleiht.

Für dieses Geflecht sind demokratische Wahlen wie ein Rheuma, das zwar lästig ist, mit dem man aber, wenn man sich daran gewöhnt hat, auch ganz gut leben kann.

Um Irrtümern vorzubeugen, sei hier klargestellt, dass die Gewerkschaften der Eisenbahner, der Post, der Gemeindebediensteten und jener Teil der GPA, der die Interessen der Angestellten im staatsnahen Bereich vertritt, von der Zentrumpartei unter „Gewerkschaften des Öffentlichen Sektors“ subsumiert werden.

Zielstrebige Politiker arrangieren sich mit dieser Macht und dürfen dann bis zu den Waden aus dem Flechtwerk herausragen. Manch einem diplomatischen Geist gelingt es, bis zu den Knöcheln frei zu kommen, gerade soweit, dass noch keine freien Schritte möglich sind, – der wird dann “ Kanzler “ genannt.

Dieses oben genannte Geflecht ist die Verkörperung eines politischen Selbstläufers, was auch seine Vorteile hat, denn Kontinuität und Beständigkeit gegenüber Aktionspolitikern sind durchaus positiv zu bewerten.

Es hat aber den gravierenden Nachteil, dass es für die anstehenden, dringend notwendigen Reformen zu langsam reagiert oder gar nicht reagieren kann. Man stelle sich die weitere Karriere eines rot- schwarzen Politikers vor, der in seinen Reihen versucht, Impulse zu setzen, wie sie in den ersten Programmpunkten der Zentrumpartei formuliert sind !

Die wirtschaftliche Entwickung Österreichs verlief parallel zu den westlichen Nachbarn. Kern dieser Entwicklung ist das Zusammenwirken von Unternehmern, die Risiken tragen und neue Wege beschreiten und Arbeitnehmern, die dem Willen ihrer Chefs unterstellt sind und bei Nichtbeachtung dieses Willens mit Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechnen müssen. Dieser Kern war so erfolgreich und belastbar, dass ein Großteil der staatlichen Abgaben aus den Ergebnissen dieses Zusammenwirkens gezogen werden konnte.

Die ZPA fordert die Teilanwendung dieses Modells auch auf den Öffentlichen Dienst und fordert damit die Kündbarkeit jedes öffentlichen Dienstverhältnisses mit Ausnahme der oberen Instanzen der Justiz.

Nicht die Auslagerung und Privatisierung von staatlichen Aufgaben und dazugehöriger Infrastruktur ist die Lösung des Problems, sondern die Abschaffung der Gewerkschaften im staatlichen Bereich, und damit die Einführung der Kündbarkeit der staatlichen Dienstnehmer, die bei subjektiv empfundener Unterbezahlung jederzeit in die Privatwirtschaft wechseln können.

Diese Forderung ist in Österreich gleichbedeutend mit einem Sakrileg. Landsleute, die sich im Alter von 25 Jahren entschieden haben, ihren weiteren Berufsweg beamtet im Öffentlichen Dienst zu beschreiten und ein geringeres Einkommen mit großzügiger Pensionsregelung einem Erwerbsleben in der Privatwirtschaft vorgezogen haben, sollen nun mit fünfzig Jahren dem Willen eines Vorgesetzten unterstellt werden, der sie auch kündigen kann ???

Die Zentrumpartei erlaubt sich an dieser Stelle den Hinweis darauf, dass die Unkündbarkeit von Beamten nicht am Berg Sinai in Stein gehauen, sondern in einer Zeit der Monarchie festgeschrieben wurde, als diese von der Gewissheit ihres immerwährenden Fortbestehens durchdrungen war.

Die Zentrumpartei beantwortet die zuletzt gestellte Frage mit “ Ja “ und hält eine Entschädigung für den Verlust der Planungssicherheit in Form einer lebenslangen monatlichen Transferzahlung für angebracht, über deren Höhe noch zu diskutieren sein wird.

Gegen eine solche innerstaatliche Veränderung steht in unserer Republik der verfassungsrechtlich gefestigte Vertrauensgrundsatz. Die vor wenigen Jahren definitiv gestellten jungen Staatsdiener können also darauf vertrauen, dass der Staat bis zu ihrem Lebensende in ihre Beamtenverträge nur insofern eingreift, dass dieser Vertrauensgrundsatz nicht verletzt wird.
Aus der Sicht der Zentrumpartei wird sich die Bevölkerung dieses Staates bald entscheiden müssen, ob sie ihre gemächlichen Schritte mit der Begleitmusik des Vertrauensgrundsatzes weiterhin in Richtung eines sozialpolitischen Abgrundes lenkt, oder sich zu einschneidenden Änderungen der innerstaatlichen Strukturen durchringt, um jene Mittel freizubekommen, die eine Erhöhung der Geburtenrate ermöglichen könnten.
Die Zentrumpartei verfällt nicht der Illusion, dass diese Änderungen im Zusammenwirken mit den Gewerkschaften des öffentlichen Bereiches möglich sind, und fordert daraus abgeleitet deren Auflösung.

Das Recht zur Bildung freier Gewerkschaften ist jedoch ein Grundrecht in unserem Staat und in der Europäischen Union.

Die ZPA vertritt dieses Grundrecht mit Nachdruck für die Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft, nicht jedoch für den staatlichen Bereich, denn der Staat ist kein “ kapitalistischer Ausbeuter „, im Gegenteil, er wurde nach und nach zum Selbstbedienungsladen für den Öffentlichen Dienst.

Selbst die Existenz von Teilgewerkschaften im Öffentlichen Dienst ist kaum zu rechtfertigen, erinnern wir uns doch an jenen Personalvertreter der Wiener Exekutive, der laut über einen Streik nachgedacht hat, mit der Begründung, die Kollegenschaft habe das Vertrauen in den amtierenden Minister verloren !

Diese Groteske verschwand sofort aus den Medien und wurde schnellstens unter die Decke des Vergessens gesteckt, damit niemand zur Frage verleitet werde : “ Ist das in diesem Staat so gewollt, dass ein Personalvertreter im Öffentlichen Dienst eine Streikdrohung gegen den demokratisch bestimmten Ressortchef aussprechen kann ? „

Diese Frage rührt am Eingemachten in unserem Staat und am besten wäre es, sie gar nicht zu stellen.
 

Wir erinnern uns auch an eine spätabendliche TV– Diskussion, in der ein damaliger Wiener Schulpolitiker sinngemäß sagte, dass er sehr wohl wisse, was im Schulsystem zu ändern sei. Er wisse aber auch, dass er, wenn er die Vorschläge am folgenden Tag den zuständigen Gremien unterbreitete, eine Woche später politisch tot sei. Er ist jetzt nicht mehr in der Bildungspolitik tätig.

Diese beiden Beispiele sollen lediglich einen dezenten Hinweis auf die Macht der Teilgewerkschaften im staatlichen Bereich geben. Völlig inakzeptabel ist nach dem Standpunkt der Zentrumpartei der Zusammenschluss dieser Teilgewerkschaften zum Dachverband der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, denn durch dessen politisches Gewicht werden innerstaatliche Machtstrukturen auf den Kopf gestellt, – und die Demokratie verkommt zur„Oberflächendemokratie“.

Für die staatstragenden Politiker hat zwar zum Thema Geburtenrate der Wecker geläutet, aber sie drehen sich noch einmal auf die andere Seite, – munter geworden sind sie noch nicht, denn in ihren Wahlkämpfen und Sonntagsreden findet dieses existenzielle Problem unseres Staates kaum eine Erwähnung. Es dürfte den politischen Akteuren wohl bewusst sein, dass eine Lösung dieses Problems so kostenintensiv ist, dass einige bisher selbstverständlich erscheinende Einrichtungen unseres Staates in Frage gestellt werden könnten.

Die Grundforderung der Zentrumpartei lässt sich also kurz formulieren:

“ Bei der erforderlichen Reform dieses Staates darf der Öffentliche Dienst nicht mitreden, sondern lediglich die Hauptproduzenten des Sozialproduktes, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der freien Wirtschaft ! „