Gewerkschaften

Sind die Gewerkschaften der Privatwirtschaft in Geiselhaft des öffentlichen Sektors ?

Einerlei, ob die Bilder aus Athen, Wien, Paris, London, Rom oder Berlin kommen, an vorderster Front bei Protestkundgebungen der Gewerkschaften marschieren ihre bestens organisierten Teile aus dem öffentlichen Sektor.

Aber der Staat ist kein böser kapitalistischer Ausbeuter, im Gegenteil, er wurde über Jahrzehnte nach und nach zum Selbstbedienungsladen des Öffentlichen Sektors

Die Zentrumpartei stellt in diesem Kapitel einige grundsätzliche Überlegungen über die Struktur des ÖGB an, die in den Medienberichten in unserem Staat nicht zu finden sind.

Von Zeit zu Zeit veröffentlicht der ÖGB seine Mitgliederzahlen. Die folgende Tabelle fasst die üblicherweise durchmischte Auflistung der einzelnen Teilgewerkschaften in zwei Gruppen zusammen, einerseits den privatwirtschaftlichen und andererseits den staatlichen- staatsnahen Teil mit den Mitgliederzahlen aus dem Jahr 2018.

Öffentlicher Dienst
251 136  
PRO- GE Met / Tex / Nahrung / Chem
237 075
GPA- staatsnaher Bereich ?
80 633
 
GPA- Privatwirtschaft ?
200 000
VIDA – Eisenbahn, soziale Dienste
66 000
VIDA- Privatwirtschaft
67 678
Gemeindebedienstete plus Kunst / Medien / Sport Freie Berufe
146 065
 
Bau / Holz
117 865
Post / Fernmeldewesen
45 013
 
Staatlicher, – staatsnaher Bereich

592 847

 
Privatwirtschaft
618 618

Laut ÖGB- Präsident lag der Mitgliederstand zu Jahresanfang 2019 bei 1.211 465.

Das Interesse der Zentrumpartei liegt nicht so sehr in der Erfassung der genauen Mitgliederzahlen der einzelnen Teilgewerkschaften, sondern vielmehr in einem Vergleich der Zahlengrößen des staatlichen/staatsnahen Bereiches mit denen des privatwirtschaftlichen Bereiches, sofern sie sich voneinander abgrenzen lassen, was für die GPA und für die VIDA nur ansatzweise gelingen kann.

Diese Auflistung lässt aber unzweifelhaft zwei wesentliche Interessensgruppen innerhalb des ÖGB erkennen, den ohnehin geschützten staatlichen- und staatsnahen Bereich und den Bereich der Privatwirtschaft. Aus dieser Auflistung ist auch abzuleiten, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Privatwirtschaft etwas über 20 % liegt, während im staatlichen und staatsnahen Bereich dieser Prozentsatz, wenn man die vielen ÖBB- Pensionisten abzieht, jenseits der 80 % liegen dürfte.

Wenn also alljährlich im Herbst die Lohnrunden eröffnet werden, dann bekommen die Forderungen der privatwirtschaftlichen Gewerkschaften nur dadurch ihr Gewicht, dass die Gewerkschaften des staatlichen und staatsnahen Bereiches ihnen einen stillschweigenden Schulterschlusss bieten, denn mit der geringen Organisationsdichte in ihrem Rücken würden sich die Verhandlungsteams der privatwirtschaftlichen Gewerkschaften alleine auf brüchiges Eis begeben.

Der Preis für diesen stillschweigenden Schulterschluss muss dann während des ganzen Jahres durch Wohlverhalten entrichtet werden, wenn der Öffentliche Dienst seine Interessen gegenüber dem Staat durchsetzt, und dieser ganzjährige Vorgang ist für die österreichischen Steuerzahler alljährlich sehr teuer.

Dies nicht so sehr, weil die Gehaltsforderungen des Öffentlichen Sektors exorbitant hoch wären, sondern deshalb, weil die staatlichen und staatsnahen Bereiche nicht dahin bewegt werden können, die Notwendigkeit vieler ihrer Dienstposten in Frage zu stellen.

Häufig wechselnde Staatssekretäre als Verhandlungspartner erhöhten zusätzlich die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften des Öffentlichen Sektors, und wenn diese bei der Bestellung eben jener Staatssekretäre, die ihnen als Verhandlungspartner auf Regierungsseite gegenüber sitzen, hinter den Kulissen auch noch ein Wörtchen mitzureden haben, – wie bei Kostelka, Einem, Schlögl, Ruttensdorfer, Finz, Bures, Schieder und Heinisch-Hosek,

– ja, dann wird es eben österreichisch !

Die Zentrumpartei fordert die Auflösung der Gewerkschaften des öffentlichen- und öffentlichnahen Bereiches und steht dadurch vor dem Problem, dass damit auch die Gewerkschaften des privatwirtschaftlichen Bereiches eine massive existenzielle Schwächung erfahren würden, weil sie alleine eben nur über eine Mitgliederdichte von etwas mehr als 20 % verfügen.

Diese Schwächung der privatwirtschaftlichen Gewerkschaften liegt jedoch nicht im Interesse der Zentrumpartei, denn in ihrem Arbeitsmarktkonzept kommt den Gewerkschaften der freien Wirtschaft eine gewichtige Bedeutung zu.

Darin haben sie eine angestammte Funktion in der Verteilung des Sozialproduktes auf eine möglichst breite Schicht der Bevölkerung.
Eine möglichst breit gestreute Kaufkraftverteilung liegt im ureigensten Interesse einer auf Wettbewerb ausgerichteten freien Marktwirtschaft, deren Produktivität wiederum, mit den daraus resultierenden Abgaben, im ureigensten Interesse eines Sozialstaates liegt.

Daraus abgeleitet fordert die Zentrumpartei, dass die Gewerkschaften der freien Wirtschaft ihre Strukturen nicht nur von ihren Mitgliedsbeiträgen aufrechterhalten sollen, sondern dass sie durch Steuermittel in der selben Höhe subventioniert werden, wie sie an Mitgliedsbeiträgen einnehmen.

Ihre Mitgliedsbeiträge sollen aber nicht mehr als Werbungskosten in der betrieblichen Lohnverrechnung aufscheinen, sondern als Privatausgaben der Mitglieder gelten, denn die betriebliche Lohnverrechnung soll im Sinne des NPLRA- Schemas umgestaltet und vereinfacht werden.

Im Konzept der Zentrumpartei haben die Gewerkschaften der Privatwirtschaft zweierlei Funktionen. Einerseits sollen sie die Höhe der Nettolöhne durch “ Netto– Kollektiv– Verträge “ festsetzen, die nur von drei Gruppen unterschritten werden dürften:

es sind dies die Lehrlinge auf Grund des gleichzeitigen ZPA- Kindergeldes, die Empfänger eines Erwerbs- Ersatz- Transfers (EET) und Arbeitnehmer mit einem „Steuferer- Vermerk“.

Neben Festsetzung der Nettokollektivverträge sollten die Gewerkschaften einen möglichst hohen Informationsstand der unselbständig Erwerbstätigen über vergleichbare Arbeitsmöglichkeiten in ihrem Umfeld aufrecht erhalten, denn der größte Lohndruck auf Arbeitgeber entsteht aus dem Wissen der Arbeitnehmer über mögliche Alternativen !

Es müssten aber noch weitere Faktoren herangezogen werden, um die Schwächung auszugleichen, welche durch die Auflösung der Gewerkschaften des staatlichen Bereiches entstehen würde.
Diesen Satz möge die Sozialdemokratie als Hinweis darauf gelten lassen, dass die Zentrumpartei auf dem rechten Auge nicht mit Blindheit geschlagen ist.

Die erste Unterstützung könnte von einer völlig unerwarteten Seite kommen, von einer gesellschaftspolitisch nicht zu unterschätzenden Kraft, deren freie Kapazitäten für die positive Beeinflussung des Arbeitsmarktes zwar nicht “ links “ liegen gelassen, aber dennoch nicht ausreichend gewürdigt werden. Im Kapitel „Staat und Religionen“ wird dies erörtert.

Ein zweiter Faktor könnte in der Einführung einer Rechengröße in der Besteuerung eines Unternehmens liegen, eines Steuerfreibetrages, des sogenannten “ Beschäftigungs- Freibetrages “ ( BFB ), der im folgenden erweiterten NPL- Diagramm mit der roten Kurve veranschaulicht wird.

Der BFB stellt eine prozentuell von der Höhe des Nettolohns abhängige Reduktion der Steuerbemessungs- Grundlage des betreffenden Unternehmens dar, und dies auf Basis einer Beschäftigung mit 38 Wochenstunden. Das bedeutet, dass auch für Teilzeit- beschäftigte ein aliquoter BFB gelten würde.

Der linke Fußpunkt dieser BFB- Kurve könnte am untersten, 12 mal jährlichen “ Netto- Kollektiv- Vertrag “ angesetzt werden. Der steile Anstieg bewirkt eine Aufteilung der Kosten einer Lohnerhöhung im Niedriglohnbereich auf die Unternehmenseigentümer und den Staat, weil sich dadurch nicht mehr das gesamte Ausmaß der Lohnerhöhung im Niedriglohnbereich auf die Höhe der Gewinne nach Steuern auswirkt, genauer gesagt, umso weniger, je erfolgreicher das Unternehmen ist.

Auf die Nettolohnerhöhungen im mittleren Lohnsegment würde der flach abfallende Kurvenverlauf nur marginal drücken, weil die Lohnrunden eine jährliche Rechtsverschiebung aller drei Kurven zur Folge hätten. Die Nettolohnerhöhungen im Hochlohnsektor sollten den Marktmechanismen überlassen werden, denn dieser Bereich gilt auch jetzt nicht als Domäne der Gewerkschaften.

Die Auswirkungen dieses BFB auf die jährlichen Lohnverhandlungen zu erörtern, würde den Rahmen dieser kurzen Übersicht sprengen. Sie bieten ein interessantes Gedankenfeld für jene Leser, die sich eingehender mit diesem Thema beschäftigen wollen.

Dieser Beschäftigungsfreibetrag ( BFB ) scheint in Kombination mit einem verfassungsrechtlich verankerten “ staatlichen Gewerkschafts- Transfer „ und mit der ebenso verfassungsmäßig verankerten Änderung der Kirchensteuerregelung durchaus geeignet zu sein, die Interessen der Gewerkschaften der freien Wirtschaft in einem Ausmaß zu ergänzen, dass in der Auflösung der Gewerkschaften des Öffentlichen Sektors nicht mehr eine Bedrohung der Interessen der unselbständig Erwerbstätigen in der Privatwirtschaft gesehen werden müsste.